VW 05/2019

UNTERNEHMEN & MANAGEMENT Restriktionen und Abhängigkeiten zu Dritten aus Sicht des Automobilherstellers wirkt sich dabei besonders positiv auf den Endkunden aus: Für den Kunden erhöht sich der Mehr- wert, da einerseits die „Schwelle“ zur Nutzung von Zusatz- services gesenkt wird, andererseits die Services zukünftig „aus einer Hand“ bezogen werden können. Beispiele solcher zusätzlicher Services sind die automatische Übertragung der Fahrzeugposition im Falle eines Notfalls, personalisierte Navi- gation, die Anzeige freier Parkplätze oder telematikbasierte Kfz-Versicherungen. Insbesondere letztgenannter wird dabei eine „Sonder- rolle“ zuteil. Diese Art von Kfz-Versicherung verwendet zur Kalkulation der Versicherungsprämien einerseits traditionel- le, statistikbasierte Faktoren (z.B. Fahrzeugalter, Nutzungs- zeit und Laufleistung) und verknüpft diese mit individuellen Fahrverhaltensdaten (z.B. Beschleunigungs- und Kurvenver- halten) sowie Verkehrs- und Ortsinformationen (z.B. Uhrzeit, Verkehrsdichte, Verkehrszone). All diese Informationen kön- nen verkehrsbewussten Fahrern zugutekommen, in dem sie gegenüber dem Standardtarif für Kfz-Policen, eine günstige- re Versicherungsprämie erhalten. VERSICHERER SIND AUF KOOPERATIONEN ANGEWIESEN Grundsätzlich wird die telematikbasierte Kfz-Versicherung nicht erst seit Aufkommen des „Connected Car“ eingesetzt. Derzeitige Modelle bestehen heute aus einem dreiteiligen Zusammenspiel zwischen (Versicherungs-)Kunden, Telematik- und Versicherungsdienstleistern. Die Datengrundlage zum individuellen Fahrverhalten wird dabei durch nachgerüstete Telekommunikationsmodule (sog. „Black-Boxes“) oder durch mobile Geräte (z.B. Smartphone) generiert. Wesentlicher Nachteil dabei ist, dass die „Black-Boxes“ mit hohem Aufwand in den Automobilen nachgerüstet wer- den müssen, was die Nutzungsschwelle des Kunden stark einschränkt. Für mobile Geräte als Medium zur Erfassung und Übertragung von Fahrverhaltensdaten trifft dies zwar nicht zu, jedoch kann dabei auch nur ein geringer Teil der D ie zunehmende Digitalisierung und Vernetzung von Alltagsgegenständen mit dem Internet 1 wird auch die Nutzung von Automobilen als einen Schlüsselbaustein dieses „Internet of Things“ tief greifend verändern. Wo Hersteller heute vorrangig Luxus- oder Premi- ummodelle mit werkseitig verbauten Telekommunikations- modulen ausstatten, wird bis 2022 jedes 3. Automobil mit dem Internet verbunden sein. 2 Zentraler Treiber ist dabei u.a. auch die Verordnung der EU, jedes Neufahrzeug ab 2018 mit dem automatischen Notrufsystem eCall auszustatten. In der Folge werden zukünftig auch Mittelklasse-Modelle als sog. „Connected Cars“ mit dem Internet kommunizieren. Der Begriff des „Connected Car“ definiert sich dabei im Wesentlichen durch zwei Aspekte: 1. Die Generierung und Sammlung von großen Mengen an (Sensor-)Daten aus dem Automobil. Beispielsweise zu individuellem Fahrverhalten, den gewählten Routen oder der Abnutzung von Komponenten 2. Der Transfer, die Speicherung und Verknüpfung/ Auswertung mit weiteren Daten (z.B. Vertragsdaten des Kunden) in der Hoheit des Automobilherstellers (OEM [Original Equipment Manufacturer]). Die Speicherung und Weiterverarbeitung in den Plattformen des Automobilherstellers eröffnet weitreichende Möglichkei- ten zum Angebot zusätzlicher Services, welche über die reine Nutzung des Automobils zum Transport von A nach B hinaus- gehen. Wesentliche, bis dato existierende (technische) Rest- riktionen, u.a. die kostenintensive Installation zusätzlicher Telematik-Hardwarekomponenten in einer umständlichen Nachrüstung für den Kunden, werden künftig aufgrund der werkseitig verbauten Telekommunikationsmodule entfallen. Durch die Verfügbarkeit von präziseren Daten und einer breiteren Datenmenge einerseits sowie durch die verringer- te Abhängigkeit andererseits kann die Einführung von Zu- satzservices zukünftig einfacher, zielgerichteter und schnel- ler durch den OEM erfolgen. Die Eliminierung technischer Der Kfz-Kuchen wird neu verteilt Wie Connected Cars das Zusammenspiel von Kunden, Autobauern und Versicherern verändern Von Philip Franck, Matthias Lehneis und Ahmet Tuzcu 42

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